Statements für Demokratie
Moin zusammen.
Von drei Dringen möchte ich Euch erzählen.
1. Es gibt keine Sicherheit
Die AfD stellt die Grundpfeiler unseres Landes und Lebens infrage.
Ihre Haltung einer gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit verhöhnt Demokratie und Menschenwürde. Pauschalisierungen, Hetze und Lüge tragen nicht zu nachhaltigen Lösungen in einer globalen Welt bei.
Und ich frage: Seit wann sind Rassismus, Antisemitismus wie auch religiöser Fanatismus Lösungen?
Das sind doch die Haltungen, die unsere Welt in die Scheiße geritten und so viele Menschen ihres Lebens beraut haben.
Die AfD, die vorgibt, unser Land zu schützen und zu stärken, schwächt es, weil sie es schafft, Menschen gegeneinander aufzubringen.
Sie lässt Menschen glauben, dass es ein Zurück gäbe und Abschottung jenen Wohlstand sichere, den unsere vormaligen Generationen durch gemeinsame Arbeit und Teilen erreicht haben.
Sie torpediert Anstand und differenzierte Meinungsbildung.
Menschen suchen Sicherheit in einer sich immer schneller verändernden Welt.
Das zu tun ist vollkommen okay. Ich brauche das auch.
Nur macht Euch nichts vor.
Wenn Ihr das bei der AfD sucht, dann seid Euch nicht mehr sicher.
Wer wird dann herhalten müssen, wenn alle Migrant:innen abgeschoben und Mauern wieder errichten sind? Wer wird dann schuld und lästig sein?
Die Alten? Die, die Bürgergeld empfangen? Die Intellektuellen? Du?
Oder ich, weil ich schwul oder ein Christ bin?
Wer kann sich noch sicher sein?
Ich kann doch dem nicht trauen, der so leichtfertigt mit anderem menschlichen Leben umgeht.
2. Falten
Als Kind habe ich gerne Papierflieger gefaltet.
Im Schulunterricht, wenn es langweilig war oder zuhause einfach so.
Dabei entstanden Kunstwerke, die heiter den Raum durchflogen.
Das Falten hat das Papier stabil und flugfähig gemacht.
Falten sind woanders nicht erwünscht.
Nicht im Tischtuch, bevor die Gäste kommen, nicht in den Bewerbungsunterlagen und nicht im Gesicht, das einem aus dem Spiegel anschaut.
Seltsam, denke ich, heutzutage soll alles makellos und wie neu sein, als ob Leben keine Spuren hinterlässt: Das Tischtuch, dessen Rotweinflecken von der Feier erzählen, die Fotos, die bereits der Großvater in Händen hielt und die Mundfalten, die schon oft gelacht haben.
Ein neues Blatt Papier kann nichts erzählen.
Würde die Zeit wie Wind darüber fegen, so bliebe nichts hängen.
Das Leben jedoch faltet mit allem, was es bietet: Liebe, Streit, Erfolg, Träume oder Enttäuschung.
Manche Falten wollen wir ausbügeln, weil wir uns schämen.
Anderes wollen wir verstärken, denn es ist uns wichtig.
Vielfalt lacht mich an. Sie macht ein Leben, ein Land und eine Überzeugung stark.
Ich entdecke sie in den Geschichten der Menschen.
Wie Menschen Liebe leben.
Wie sie mit Schwierigkeiten umgehen.
Wie sie sich engagieren.
Wie sie träumen und Kindern ein Gutenachtlied singen.
Wie sie Labskaus essen.
Diese Vielfalt fällt nicht vom Himmel.
Sie braucht zwei Bewegungen: Falten und Entfalten.
Falten.
Das Leben ist wie es ist.
Manches an Wegen wählst Du selbst.
Und anderes wird Dir zugemutet, ob es Dir passt oder nicht.
Es gibt davor keinen Schutz. Das ist das Leben.
Manches kostet Dich viel Kraft.
Und anderes an Momenten, Erfahrungen, Begegnungen und Gefühlen, die in Dein Lebenspapier, Deine Lebenszeit hineingefaltet werden, machen Dich stark.
Ich glaube ja, dass den, den wir Gott nennen, auch dazu gehört und mich stark macht.
Gerade in Momenten wie jetzt.
Entfalten.
Entfalten heißt nicht rückgängig machen, plattmachen als wäre nichts gewesen.
Es heißt entdecken. Was steckt da drin in dem, was wir Leben nennen?
Und auch: Was in der Liebe? In der Angst? In Hoffnung? In einem Menschenleben?
Entfalten ist das Gegenteil vom Zusammenfalten.
Ich höre: Migration und Asyl seien das Grundübel. Die Presse lüge und zensiere. Früher vor 2015 sei alles besser gewesen, Atomkraft billiger und ohne Europa unsere Zukunft gesichert. Mensch, Alice, in welchem Wunderland bist Du unterwegs?
Ich höre so vieles an Worten, die Sachverhalte zusammenfalten und klein machen, unterkomplex beantworten und ihnen nicht gerecht werden.
Ich nehme Worte und Taten wahr, die andere zusammenfalten, klein machen und klein halten.
Ich muss zu einer Person nur oft genug sagen, sie sei ein Versager.
Über Migrant:innen sie seien eine Bedrohung.
Man könne nicht mehr auf die Straße gehen.
Man müsse nur noch härter vorgehen.
Und uns allen würde es schlecht gehen.
Worte und Lügen schleichen sich ein ins Herz und in die Seele.
Sie engen ein. Sie machen klein. Sie machen Angst.
Worte. Nicht nur im Wahlkampf.
Benutzt als hätten die, die sie sprechen, Durchfall – ohne Substanz.
Und dabei sind Worte so wichtig.
Sie haben – richtig verwendet – Macht, Großartiges zu schaffen.
Wann haben wir verlernt von Schönheit und Sehnsucht zu sprechen?
Von dem, was Europa einst groß gemacht hat?
Von Demut und Barmherzigkeit?
Und der Kraft der Vergebung?
Von dem Prickeln des ersten Kusses?
Wie toll feuchte Erde riecht?
Von dem, was Kinderaugen leuchten und den Menschen am Rollator innerlich tanzen lässt?
Von Sommerfrische und Gerechtigkeit, von Zufriedenheit und dem Glück, einem anderen zu helfen?
Worte entfalten: Unsichtbare Paläste, in denen die Liebe tanzt, Hallen voll mit warmem Trost und Kaskaden glitzernder Hoffnung.
Du und ich sind doch nicht ein-fältig. So hätten es die Extremisten gerne.
Nein, wir sind viel-fältig.
Durchs Leben gegangen. Wir tragen seine Spuren. Stark geworden.
Würde die Zeit wie Wind darüber fegen, so bliebe sie hängen.
Und wir werden gehoben und weitergetragen.
3. Was füttere ich?
Ein alter Indianer saß mit seinem Enkelsohn am Lagerfeuer. Es war schon dunkel geworden und das Feuer knackte, während die Flammen in den Himmel züngelten.
Nachdem sie beide eine Weile geschwiegen hatten, sagte der Alte:
„Weißt du, in deinem Leben wird dir vieles widerfahren sowie auch mir vieles widerfahren ist. Manchmal fühlt es sich an, als ob da zwei Wölfe in meinem Herzen gegeneinander kämpfen würden.
Der eine Wolf ist der Wolf der Dunkelheit, der Ängste, des Misstrauens und der Verzweiflung. Er bringt dir böse Träume, viel Leid und Schmerz.
Der andere Wolf ist der Wolf der Lebensfreude, der Hoffnung und der Liebe. Er bringt dir die guten Träume, schenkt dir Mut und Hoffnung, er zeigt dir den Weg und gibt dir weisen Rat.
Diese beiden werden die Zähne fletschen, sich umkreisen, sich an die Kehle gehen bis einer kraftlos zu Boden sinkt.“ Dann schwieg der Alte wieder.
Der Junge fragte voller Ungeduld: „Erzähl weiter Großvater…welcher Wolf wird den Kampf um das Herz gewinnen?“
Der alte Indianer antwortete: „Der, den du fütterst.“
Angst zu haben ist okay. Wut zu haben auch.
Wir leben in Zeiten von Veränderungen.
Ich sage auch nicht, dass Menschen unserer Regierung immer geschickt agiert.
Und wir als Kirche, ich als Propst auch nicht immer. Ich tauge nicht als Lichtgestalt.
Zumal meine Institution es über lange Phasen ihrer Geschichte verstanden hat, Kirchen und Kassen mit der Angst vor Hölle und Strafen zu füllen.
Also: Wann ist die Angst so mächtig geworden?
Die Angst vor dem Fremden.
Die Angst, abzugeben und zu kurz zu kommen.
Die Angst, seinen Preis zu zahlen für eine Welt, die auch für unsere Nachfolgenden Frieden, Gerechtigkeit und eine intakte Natur schafft und bereithält.
Die Angst vor der Unverfügbarkeit des Lebens.
Und die Grundangst vor sich selbst.
Wie kam es, dass wir ihr so viel mehr trauen als allem anderen?
Wir haben sie gefüttert. Füttern lassen.
Und Vertreter:innen der AfD, die Trumps und Extremisten dieser Welt machen da fleißig mit.
Unsere Angst nährt ihre Macht.
Das Gegenteil von Angst ist in der Bibel nicht der Mut.
Es ist die Liebe.
Liebe als Haltung dem Leben und dem Anderen gegenüber.
Es geht nicht darum, Böses, Probleme und Schlimmes zu verharmlosen.
Denn werde ich diskriminiert oder bedroht, muss ich mich wehren.
Es geht um die Frage, was schlussendlich den längeren Atem schenkt und verwandelt.
Und um die Frage, aus welcher Mitte Du lebst.
Ich weiß nicht mehr, wo die politische Mitte ist.
Ich weiß jedoch, wo meine ist:
Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken und Deinen Nächsten wie dich selbst. So steht es in der Bibel.
Mein Glaube, der davon lebt, dass vor Gott alle gleich sind, fehlbar, würdevoll und geliebt und wir alle, Du und ich, Gottes Gesicht tragen.
Dass es um beide Fragen geht: Was dient mir? Und: Wem diene ich?
Und dass ich mich zu verantworten habe für Getanes und Unterlassenes.
Es gibt keine Ausrede.
4. Zum Schluss
Blau sind Himmel und Enzian.
Blau ist Ritter Sport Vollmilch.
Blau sind Meer und der oberste Streifen unserer Landesflagge.
Blau ist man, wenn man zu viel getrunken hat.
Aber niemals ist blau eine Alternative zu unserer Demokratie und zur politischen Zukunft.
Ich denke selbst. Ich glaube keinen falschen Sicherheiten.
Ich lebe die Vielfalt. Ich nähre die Liebe.
Wahr und wahrhaftig. Anständig. Dem Guten verbunden.
Nie wieder ist jetzt. Und jetzt ist wichtig, damit ein Morgen möglich ist.
Danke Euch!