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Ich sehe was, was du nicht siehst

Ich sehe was, was Du nicht siehst.

Ich sehe.

Fliesen. Eine Kerze. Blumen. Wasserflecken.

Dich. Volles Haar. Junge Haut. Lachender Mund.

 

Das, was man sehen kann, nennt man Oberfläche.

Weil es obenan ist.

 

Was darunter ist, kann ich nicht sehen.

Was ist unter der Erde? Eine Blumenzwiebel? Ein Regenwurm? Ein Schatz?

Was ist hinter der Türe? Der Küster? Ein Klavier? Nichts?

Wer ist der Mensch eigentlich, der mir im Bus gegenüber sitzt? Ist er verheiratet? Kommt er hier aus dem Norden? Ist er freundlich?

Und was ist hinter dem Himmel? Noch mehr Himmel? Das Weltall? Nichts? Gott?

 

Ich sehe im Zeugnis die fünf in Mathe, aber aus dem Zeugnis sehe nicht heraus, dass der Junge ganz schnell ein Fahrrad reparieren kann.

Ich sehe die ältere Dame im Supermarkt und denke: Altes Eisen, aber ich sehe nicht, dass sie flott Tange tanzt und mehr Spaß im Leben hat als ich.

Ich sehe den mürrischen Nachbarn, dem ich unterstelle, er sei ein böser Mensch, aber ich sehe nicht, dass er große Sorge um seine kranke Frau hat und deswegen nicht mehr lachen kann.

 

Ich sehe und ich sehe nicht.

Da gab es Samuel. Er war ein Prophet.

Ein Mann also, der Botschaften von Gott bekam und das dann den Menschen weitererzählte.

In Israel, dem Land, wo er vor über 3000 Jahren gelebt hat, gab es einen König. Saul.

Der tat vieles, was Gott nicht gefallen hat.

Samuel sollte einen anderen Mann zum König machen. Und Gott schickte ihn nach Bethlehem zu Isai, der viele Söhne hatte.

Und als Samuel dort war, sah er sie alle. Und sein Blick fiel auf einen kräftigen Sohn, groß gewachsen und schön. Der wird er sein, denkt Samuel.

Doch Gott sagt: Ein Mensch sieht, was vor Augen ist, aber Gott sieht das Herz an.

Und so sieht Samuel einen Sohn nach dem anderen an, aber alle sind es nicht. Als keiner mehr übrig ist, fragt Samuel Isai: Waren das alle?

Nein, der jüngste und kleinste ist beim Schafehüten. Als er dann kommt, sagt Gott zu Samuel: Ihn sollst du zum König machen. Nimm Öl und salbe seinen Kopf. So wurde David König.

 

Und Gott sagt: Ich sehe was, was Du nicht siehst.

Ich sehe das, was sichtbar wird, wenn man das Herz anschaut.

Falten oder Pickel im Gesicht

Volles Haar oder Glatze

Mann oder Frau

Weiß oder Schwarz

Großes Auto oder altes Fahrrad

Das alles erzählt wenig über das, was ein Mensch wirklich ist. Es sagt nichts über seinen Wert aus.

Gott sieht mehr.

 

Wenn ich gefragt werde: Womit denkst Du? Dann zeige ich auf den Kopf und das Gehirn.

Und wo wohnen Deine Gefühle? Dann zeige ich auf mein Herz.

Da ist vieles drin.

Dinge, die man außen sehen kann: Freude und Humor. 

Und Dinge, die keiner sieht, weil ich sie verstecke: Angst, alleine zu sein oder Liebeskummer.

 

Als Mensch zu leben und ein Mensch zu werden, heißt, mit dem Herzen sehen zu lernen.

Nicht an der Oberfläche hängen bleiben. Nicht bei anderen. Nicht bei sich. Nicht bei Gott.

 

Henrike und Niklas werden heute getauft. In der Taufe legen wir die beiden Gott ans Herz.

Sie sind schön. Sie sind wertvoll. Sie haben Gaben und Bestimmungen. Gott sieht etwas in Henrike und Niklas, was diese Welt braucht. Er hat sich selber in sie hineingelegt. Und in der Taufe werden beide mit ihm verbunden.

Eure Aufgabe als Eltern und Paten ist es, mit ihnen den Blick zu lernen, das wesentliche, das Herz anzusehen. Sich nicht von dem bestimmen lassen, was andere über uns sagen, was eine Gesellschaft will, sondern hinzuhören, den zweiten Blick zu wagen. Auf sich und das Leben.

Gott zu entdecken in den Menschen und auf dieser Welt.

 

Ich sehe was, was Du nicht siehst. Glaube. Liebe. Hoffnung.

Ich zeige Dir etwas, was Du noch nicht siehst. Glaube. Liebe. Hoffnung.

Ich sehe. Wir sehen. Boooaaahhhhh.

Amen.

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