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Mehr als Luther und dagegen

Zunächst einmal ist protestantisch eine Näherbestimmung der Zugehörigkeit zu einer bestimmten kirchlichen Tradition: der reformatorischen. Mit Martin Luther und anderen Reformatoren hat das im späten Mittelalter begonnen, was sich heute als recht vielfältiges und disparates Bild reformatorischer Kirchen bietet: lutherische, reformierte, unierte, anglikanische Kirchen und das weite Feld der Freikirchen.

In Speyer protestierten 1529 die evangelischen Stände mit einer Protestnote gegen die Aufhebung der ihnen zugesagten Rechtssicherheit von 1526 – daher hat die reformatorische Bewegung ihren Namen “protestantisch” erhalten. Heute ist im Deutschen zumeist die Bezeichnung evangelisch gebräuchlich – oftmals je nach landeskirchlicher Tradition ergänzt mit der Bezeichnung lutherisch, reformiert oder uniert.

 

Evangelisch zu sein ist mehr als Abgrenzung und Andersartigkeit.

 

Evangelisch sein heißt dem Wortsinn nach, sich dem Evangelium, der frohen Botschaft Christi, verbunden zu wissen. Als Christ*innen und Kirche sind wir uns gerufen, getragen und zentriert von Christus, in dem sich Gott der Welt offenbart hat. Christus erinnert uns an die Spuren Gottes auf dieser Welt: Gnade, Liebe und Vergebung, die von Schuld und einem in sich verkrümmten Leben befreit. 

 

Evangelisch sein heißt, dem Wesen und der Botschaft Christi nachzuspüren und ihr zu lauschen wie sie uns im Wort der Bibel bezeugt worden ist. Die Theologie hilft, mit der Bibel gut umzugehen und ihrem Zentrum auf die Spur zu kommen. Manches, was in ihr steht, ist zeitgeschichtlich bedingt und wird heute anders interpretiert als es der Wortsinn nahelegt. Gleichwohl leben auch wir als Evangelische dankbar aus einer reichen Tradition, die auch die Zeit vor der Reformation umfasst. Die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse sind Bestandteil der Liturgie, Texte der Kirchenväter wie neue Glaubenszeugnisse helfen, als Christ*in sprachfähig zu werden und zu sein.

 

Evangelisch sein weist den einzelnen Menschen sowohl an Gott wie auch an die Gemeinschaft der Gemeinde. Wir sind zum Dienst an- und füreinander berufen. Es gibt keinen, der vor Gott dessen würdiger oder unwürdiger wäre.

Das Priestertum aller Gläubigen hat seine “Weihe” in der Taufe, in der wir alle als gleichwertige Mitglieder von Gottes Familie bestimmt werden. 

Unbeschadet dessen kann eine äußere Ordnung den inneren Zielen helfen. So kennen auch wir evangelische Christen das Amt des Geistlichen, der als Beauftragter von Kirche und Gemeinde im Ansehen auf Christus handelt und verwaltet. 

 

Evangelisch sein heißt, das Ganze und die Vielfalt zu leben – unser Leben, so wie es von Gott gemeint ist. Evangelischer Glaube lebt nicht aus der Abgrenzung zu anderen Konfessionen oder Weltanschauungen heraus, sondern aus der neuen Lebens- und Seinsqualität.

Glaube erinnert an die Freiheit von äußeren Zwängen des Lebens und an die Freiheit z. B. zu bestimmten heilsamen Ritualen. Diese  helfen, Ort und Zeit der Gottesbegegnung begehbarer zu machen. So kann uns das Kreuz, mit dem wir uns bezeichnen, an unsere Taufe und den Zuspruch Christi erinnern. Oder ein Gottesdienst unsere Gedanken fordern und formen.

 

Evangelisch – mehr als man glaubt!

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